Programmierbar war der CPC über die Lochkarten, in die Befehlscodes eingestanzt werden konnten, welche dann über die Schalttafel interpretiert wurden. Der CPC arbeitete mit einem Drei-Adreß-Format: Zwei Zahlen, die aus dem Speicher, einem der Register oder der Karte selbst stammen konnten, wurden miteinander verknüpft und das Ergebnis an einer dritten Stelle abgelegt. Durch die Auslagerung der Steuerung von der Schalttafel auf die Lochkarte konnten umfangreichere Programme verwendet werden.
Der CPC war ein sehr erfolgreiches Produkt, bis 1956 waren etwa 700
Stück installiert. Er bot universelle Rechenleistung lange bevor echte
Computer verfügbar waren. Im Gegensatz zu anderen IBM-Geräten
wurde er nicht im kaufmännischen Bereich, sondern in Wissenschaft
und Forschung eingesetzt (hier vor allem in militärischen Bereichen
wie Flugzeugbau, Raketen- und Kernforschung Pionier für die wissenschafliche Anwendung von Tabelliermaschinen
war der Astronom Leslie Comrie am Royal Naval College in England, wo er
ab 1928 mit Hilfe von Hollerith-Maschinen Mondpositionen berechnete . Auf
Bestreben des Astronomen Wallace J. Eckert (nicht zu verwechseln mit J.P.
Eckert, dem Mitentwickler des ENIAC) stiftete Watson 1933 der Universität
von Columbia das »Thomas Watson Astronomical Computing Bureau«,
IBMs erster Kontakt mit wissenschaftlichen Anwendungen. Von dort gingen
wichtige Impulse zur Entwicklung von Rechenmaschinen für wissenschaftliche
Zwecke aus, so der Kontakt zu Howard Aiken, dem Entwickler des ASCC (MARK
I).
Seine entscheidende Neuerung war die Von-Neumann-Architektur: Der SSEC
hatte (im Gegensatz zum schalttafelgesteuerten ENIAC) ein extern gespeichertes
Programm (»sequence«), dessen Befehle er wie Daten behandeln
konnte. Es gab bedingte Verzweigungen (daher »selective sequence«),
die auch Rückwärtssprünge erlaubten. Allerdings arbeitete
der SSEC noch nicht binär, sondern dezimal. Als Einzelstück von
IBM prestigeträchtig im Schaufenster des Hauptfirmensitzes mitten
in New York aufgebaut, prägte er mit seinen wuchtigen Röhrenschränken
und zahllosen blinkenden Kontrolleuchten das klassische Bild des »Riesenhirns«.
Da die Röhrentechnik für Computer noch in den Kinderschuhen
steckte, wurden im SSEC neben 12.500 Röhren auch mehr als 20.000 Relais
verwendet. Der Speicher war hierarchisch organisiert und ungewöhnlich
groß: 8 Worte schneller Röhrenspeicher, 150 Worte Relaisspeicher
und 20.000 Worte Lochstreifenspeicher auf 66 Lochstreifenlesern standen
zur Verfügung. Bei einer Wortlänge von 19 Dezimalziffern + Vorzeichen
(8 Byte) ergibt sich somit eine binäre Speicherkapazität von
ca. 158 KByte. Aufgrund seiner Architektur, seines riesigen Speichers und
seiner hohen Rechengeschwindigkeit (er konnte alle vier Grundrechenarten
in weniger als 20 ms ausführen) galt der SSEC als Superrechner.
Wallace Eckert führte mit ihm Mondberechnungen durch, die später
als Grundlage für das Apollo-Projekt dienten [3].
Man war überzeugt, daß etwa ein Dutzend SSECs den Rechenbedarf
der ganzen Welt auf absehbare Zeit decken würden [7].
Schon vier Jahre später allerdings mußte das »Superhirn«
seinem Nachfolger, dem Modell 701, weichen.
Die Entwicklung war ein Kraftakt der Firma: Sie wurde von einer geschlossenen
Arbeitsgruppe durchgeführt, die nach einem Jahr bereits einen Prototypen
präsentieren konnte. Mittlerweile waren in dem Unternehmen Stimmen
laut geworden, daß die Entwicklung von Computern den Absatz von Tabelliermaschinen
behindern könnte; außerdem sei ungewiß, ob es für
solche Maschinen überhaupt einen Markt gäbe. Hier zeigen sich
interessante Parallelen zur Entwicklung des IBM-PC im Jahre 1980/81, dem
ein Großteil der Firma zunächst aus ähnlichen Gründen
sehr skeptisch gegenüberstand [4].
Richtungsweisend war die konsequent binäre Architektur des 701.
Dadurch wurde die Hardware einfacher, zuverlässiger und leicht erweiterbar
(1954 folgte der 704, das erste Modell mit Kernspeicher, später der
709, der erste kommerzielle Computer mit Interrupt-Möglichkeit [15]).
Auf Relais verzichtete man ganz, statt dessen bot der 701 neben 2048 Worten
Röhrenspeicher noch 8 KByte Worte Magnettrommelspeicher (was bei einer
Wortlänge von 36 Bit einer Speicherkapazität von etwa 50 KByte
entspricht). Der »Defense Calculator« arbeitete mit einer Zykluszeit
von 12 Mikrosekunden, entsprechend einer Taktfrequenz von 0,083 MHz. Von
seiner Entwicklung gingen viele, für die weitere Entwicklung von IBM
entscheidende Impulse aus: IBM entwickelte eigene Röhren (das erste
elektronische Bauteil, das IBM in Serie herstellte), führte das Hardware-Modulkonzept
ein, brachte das Magnetband zur Serienreife und erkannte, daß das
binäre Prinzip ungeheure Vorteile brachte.
Der 701 war in der Tat universell einzusetzen: Er wurde von immerhin
19 Kunden verwendet, die ihn für mindestens ebensoviele verschiedene
Aufgaben einsetzen konnten. Kommerziell war der Rechner allerdings kein
Erfolg, da die Entwicklungskosten die Einnahmen durch die wenigen Kunden
bei weitem überstiegen. Für die kommerzielle Datenverarbeitung
spielte er jedoch aufgrund der durch seine Entwicklung eingeführten
Technologien eine wichtige Vorreiterrolle. Thomas J. Watson kam zu dem
Schluß: »We can't afford it and we've got to get the profits
up.« [7]
Der 650 wurde von demselben Team wie der SSEC entwickelt und arbeitete
dezimal. Um Kosten zu sparen, verwendete man anstatt des teuren Röhrenspeichers
einen Magnettrommelspeicher. Dieser bestand aus einer 35 cm langen, außen
mit einer Kobalt-Nickel beschichteten Trommel von 10 cm Durchmesser, die
von 100 bzw. beim größeren Modell von 200 Schreib-Leseköpfen
abgetastet wurde und mit der unglaublichen Geschwindigkeit von über
200 Umdrehungen pro Sekunde rotierte. Je fünf Köpfe bildeten
ein »Band« und lieferten eine Dezimalziffer, die mit fünf
Bit in einer binären Kodierung gespeichert war. Auf einem Band fanden
um die Trommel herum 50 Worte zu 10 Ziffern (+ Vorzeichen) Platz, so daß
1000 bzw. 2000 Worte Arbeitsspeicher zur Verfügung standen. So erhielt
man einen relativ billigen, großen, zuverlässigen und schnellen
Speicher. Die mittlere Zugriffszeit konnte durch das sogenannte Zwei-Adress-Format
von 2,4 ms auf 0,8 ms gedrückt werden: Jede Instruktion enthielt einen
Verweis auf den nächsten auszuführenden Befehl, so daß
bereits während der Ausführung eines Befehls der nächste
geladen werden konnte. Des weiteren wurde das »SOAP«-Programm
entwickelt, das die Anordnung der Daten auf der Trommel optimierte. Intern
arbeitete der 650 mit einer fehlererkennenden binären Kodierung, was
ihn sehr zuverlässig machte.
Zwar war er durch die seriell arbeitende Arithmetik nicht besonders
schnell; sein einfacher, aber eleganter Befehlsvorrat und seine relativ
leichte Bedienbarkeit über eine Steuerkonsole machten ihn demnach
für Universitäten und Firmen attraktiv. Mit einem Mietpreis von
$3750 pro Monat kostete er nur ein Zehntel des 701-Nachfolgemodells 709;
mit 2000 verkauften Maschinen9 wurde der
650 zum »Modell T der Computerindustrie« [7].
Für viele Wissenschaftler war dieses Modell der erste Kontakt mit
einem Computer [10]; Donald E. Knuth
widmete seine »Art of Computer Programming« dem 650 »in
remembering of many pleasant evenings.«
Mit dem Modell 650 legte IBM die Grundlage für die Vorherrschaft
auf dem Computermarkt während der nächsten Jahrzehnte. Mit diesem
Produkt hatte man es geschafft, einen ganzen Industriezweig zu legitimieren:
Die kommerzielle Vermarktung von Computern war möglich geworden. Der
Absatz zeigte, daß tatsächlich Bedarf für solche Geräte
bestand und ein Markt dafür existierte, auch wenn man nur wenige Jahre
zuvor geglaubt hatte, daß die Rechenleistung weniger SSECs für
die gesamte Welt ausreichen würde.
IBMs Kontakt mit der Wissenschaft
Die Ausweitung der Produktpalette IBMs von reinen Büromaschinen (die
ja auch im Firmennamen verankert sind) auf Rechengeräte und Computer
für den technisch-wissenschaftlichen Bereich begann in den dreißiger
Jahren. Die Brücke schlugen hierbei die Astronomen. Sie waren seit
Leibniz' Zeiten an der Anwendung von Rechenmaschinen interessiert, um damit
astronomische Tabellen zu berechnen. Auch im Werk von Charles Babbage finden
sich astronomische Berechnungen als Motiv für seine Rechenautomaten.
[5]
Der SSEC (1948)
Zusammen mit dem CPC steht eine weitere Maschine an der Schwelle zum ersten
echten Computer von IBM: der »Selective Sequence Electronic Calculator«
(SSEC). Er wurde 1948 fertiggestellt und sollte den Großrechner ENIAC,
der bereits seit zwei Jahren existierte, das Fürchten lehren.
Der 701 »Defense Calculator« (1952)
Das Modell 701 markiert IBMs endgültigen Eintritt in das Computerzeitalter.
Zwei Faktoren waren dafür verantwortlich: Zum einen hatte der Erzrivale
Remington-Rand den UNIVAC angekündigt, der als erster Computer der
Welt in Serie gefertigt werden sollte.8
Zum anderen brach 1950 der Korea-Krieg aus, und Thomas Watson bot Präsident
Truman alle verfügbaren Kapazitäten IBMs an, um die Vereinigten
Staaten in diesem Krieg zu unterstützen. So entwickelte IBM unter
anderem ein Zielgerät für den B-52 Bomber ([3],
[7]). Die nationale Rüstungsindustrie
(»defense industry«) benötigte zu jener Zeit dringend
Rechenleistung für den Bau von Flugzeugen und Raketen, und IBM entschloß
sich, einen universell verwendbaren Superrechner, den »Defense Calculator«,
in Angriff zu nehmen. Erst wenige Tage vor seiner Vorstellung 1952 wurde
er in »701« umbenannt, was eine neue Produktline neben der
erfolgreichen 600er-Reihe der Büromaschinen begründete.
IBM 650, das »Modell T« (1953)
Das folgende Modell, der »650«, war entscheidend für das
weitere Schicksal IBMs. Die neuartigen »Elektronischen Datenverarbeitungsmaschinen«
sollten nicht nur Prestige bringen, sondern auch Gewinn abwerfen; Watson
setzte das Ziel, Computer kommerziell nutzbar zu machen. Für das neue
Modell war daher - neben Zuverlässigkeit und leichter Programmierbarkeit
- ein möglichst niedriger Preis oberstes Entwicklungsziel.
Copyright © 1998 Stefan
Winterstein. Verbreitung
dieses Textes außerhalb des WWW nur mit ausdrücklicher Genehmigung
des Autors.